Wie ist das mit den Frauen bei den Blauen Sängern?

Verbindungen sind doch eigentlich reine Männerbünde. Ihr nehmt Frauen auf - und seht Euch doch als eine Art "Verbindung"? Wie passt das zusammen?

Zunächst einmal: ob wir eine Verbindung sind oder nicht, schon schwer zu beantworten, gerade weil bei uns eben vieles anders ist, als man es gewöhnlich bei Studentenverbindungen erwartet, es andererseits bei uns aber auch "Elemente" gibt, die man so nur von Studentenverbindungen kennt. Richtig aber ist, dass wir - selbstverständlich - auch Frauen aufnehmen. Und wie wir in den letzten gut 40 Jahren gesehen haben passt das bei uns sehr gut zusammen. Aber da Frauen in Verbindungen immer noch sehr selten sind, ist es vielleicht wirklich sinnvoll, einmal ein paar Worte darüber zu verlieren.

Ein paar Worte zur Geschicht der Frauen in Verbindungen im Allgemeinen

Warum es ursprünglich keine gemischten Verbindungen gab

Das Studium im 19. Jahrhundert war ein reines Männerstudium. Erst mit Beginn des 20. Jahrhunderts kamen Frauen an die Universitäten, blieben aber trotzdem noch lange eine Ausnahmeerscheinung. Die Studentenverbindungen an sich sind ebenfalls im 19. Jahrhundert entstanden. In sofern konnten sie - zunächst erstmal - gar nichts anderes sein als Männerbünde, denn an den Universitäten gab es eben nur Männer. Und auch die historischen Verhaltenscodices und die inneren Strukturen von Verbindung entstanden in jener Zeit, womit sich auch erklärt, warum diese auf den Umgang von Männern untereinander ausgelegt waren.

Um die Wende zum 20. Jahrhundert hin kamen nun erstmals Frauen an die Universitäten. Aus unseren heutigen gesellschaftlichen Erfahrungen heraus ist man schnell geneigt zu sagen, dass die Verbindungen sich ebenfalls den Frauen hätten öffnen müssen, auch weil sie im Kern nach doch Zusammenschlüsse und Vertretungen Studierenden waren.

Für die heutige Zeit trifft das mit Sicherheit zu, aber wenn man die Argumente für die heutige Zeit auf die damalige übertragen will, dann ignoriert man nur zu leichtfertig die gesellschaftlichen Strukturen der damaligen Zeit. Zum einen waren bestimmte Merkmale der Verbindungen (z.B. Stellung zum Alkohol, Stellung zur Mensur) dergestalt, dass sie als "undenkbar für Frauen" galten. Zum anderen waren die Verbindungshäuser keine öffentlichen Gebäude, sondern waren Privathäuser - und damit galt es als anrüchig, Frauen und Männer in derart "intimen Kreisen" zusammen zu führen. Und nicht nur das, es galt sogar nach § 180 a.F. StGB unter bestimmten Voraussetzungen als als Kuppelei und war damit strafbar, und zwar sogar bis 1968 in der DDR und bis 1969 in der Bundesrepublik. Hierfür bedurfte es tatsächlich der gesellschaftlichen Veränderungen der '68er.

Warum Frauen auch damals schon in der "verfassten Studentenschaft" vertreten waren

Zum Anderen entstanden mit dem beginnenden 20. Jahrundert (und insb. in der Zeit nach dem 1. Weltkrieg) zunehmend Frauenverbindungen. Gerade vor den bereits genannten (allgemein-)gesellschaftlichen Hintergründen wurden diese zwar von den arivierten Verbindungen, insbesondere den schlagenden und farbentragenden Verbindungen, sehr distanziert betrachtet, waren als Teil der Vertretung der Studenten in der Studierendenschaft aber akzeptiert und anerkannt. Es gab also sehr wohl auch für Frauen die Möglichkeit der studentischen Vertretung.

Warum Frauenverbindungen damals (scheinbar) eine Ausnahmeerscheinung bildeten

Kritisch bemerkt wird häufig, dass ihre Zahl überschaubar blieb. Vergessen bzw. unterschlagen wird dabei aber auch, dass die Zahl der Frauen an Universitäten überschaubar blieb. Wirklich wesentlich änderte sich dieses erst nach dem 2. Weltkrieg, zumindest was die Zahl der studierenden Frauen anging. Wo aber numerisch nur wenige Frauen studieren, bestehen auch numerisch nur wenige Verbindungen. Frauenverbindungen hatten also damals gar keine Chance, zahlenmäßig zu den Männerverbindungen aufzuschließen. Durch ihre geringe Zahl wiederum erscheinen sie daher als Ausnahmeerscheinung.

Warum sich nach dem 2. Weltkrieg zunächst so wenig änderte

Das Wiederentstehen des Verbindungswesens nach '45 war zunächst einmal eine Art Restauration, also Wiederherstellung alter Werte. In der (der Zukunft zugewandten) Studierendenschaft hingegen verloren die Verbindungen nach und nach - und vor allem zunehmend ab den '68ern - an Reputation, Ansehen, Bedeutung und Notwendigkeit (insbesondere durch die Tatsache, dass sie nicht mehr die Vertretung der Studierendenschaft darstellten). Dass nach '45 (zumindest nach heutigem Kenntnisstand) keine Damenverbindungen entstanden, lag vor allem daran, dass sie nicht notwendig waren. Dass auch die früheren Frauenverbindungen nicht wiedererstanden (im Gegensatz zu vielen Männerverbindun-

 
gen), lag ebenfalls an ihrer Vorkriegszahl und -größe. Schaut man sich die Verbindungen genauer an, die nach dem 2. Weltkrieg wiederentstanden, so waren sie vorher entweder schon so groß, dass sie sich "aus dieser alten Substanz heraus" wiedergründen konnten, oder einzelne Verbindungen fusionierten bei der Wiedergründung, um so genügend Substanz zu bilden. Den Frauenverbindungen hingegen fehlte einfach die Möglichkeiten hierfür - und vor allem auch die zwingende Notwendigkeit.

Warum erst ausgangs des 20. Jahrhunderts wieder Frauenverbindungen entstanden

"Notwendig" wurden sie tatsächlich erst ausgangs des 20. Jahrhunderts. Nachdem man den (männlichen) Verbindungen Jahrzehnte lang vorgeworfen hatte, dass sie sich durch "Seilschaften" einen Vorteil verschaffen würden, beschloss man in der Gesellschaft, das "Networking" hipp sei und das besonders Frauen davon profitieren könnten, wenn sie sich denn "vernetzen" würden. Und Verbindungen waren ein generell Beispiel für "Networking". Es wundert also kaum, dass jetzt zu Beginn des 21. Jahrhunderts die Zahlen der Frauenverbindungen deutlich zu steigen beginnen.

Warum nach '68 gemischte Verbindungen entstanden

Die "Nach-'68er Zeit" ist auch die Zeit, in der gemischte Verbindungen entstanden. Aber für sie gilt auch, was für reine Frauenverbindungen gilt: sofern sie für Frauen nicht "notwendig" waren, hatten sie es auch schwer, sich durchzusetzen. Durchsetzen konnten sie sich nur dort, wo sie zuvor zumindest "thematisch" "zusammen mit Männern" schon beteiligt waren, also im Sport und in der Kultur, und die zugleich "frei von ausschließlich Männlichem" waren, also bei den nichtschlagenden Verbindungen. Es verwundert daher überhaupt nicht, dass sich die größe Verbreitung gemischter Verbindungen in genau den beiden Dachverbänden widerfinden, die diese beiden Voraussetzungen erfüllen: dem [[Akademischer Turnbund|Akademischen Turnbund (ATB)]] und dem [[Sondershäuser Verband|Sondershäuser Verband Akademisch-Musikalischer Verbindungen (SV)]]

Und bei den Blauen Sängern?

Die Blauen Sänger sind ja bekanntlich (siehe unsere Geschichte) 1860 als "Studenten-Gesangverein der Georgia Augusta" entstanden, also als reiner "Männergesangverein", dessen Mitglieder aussschließlich aus Studenten bestand. Der Männergesang war es auch, der bis zur Auflösung des St.G.V. 1935 letztendlich den Kern der musischen Betätigung ausmachte, wie überhaubt die musische Betätigung im Zentrum des Bundeslebens stand, und nicht solche Fragen wie Mensur oder die Vertretung der Studentenschaft gegenüber Dritten. Gerade im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, also in der Zeit, als erstmals Frauen an die Universitäten kamen, gab es unter den Studenten in Göttingen keinen Mangel an (männlichen) Sängern. Sängerinnen bzw. sangeswillige Studentinnen hingegen waren, wie Frauen überhaupt, eher die Ausnahme. In sofern bestand auch in dieser Zeit - zumindest für die damaligen Mitglieder - nie die Notwendkeit, über die Aufnahme von Frauen in den St.G.V. nachzudenken. 

Nach dem 2. Weltkrieg hatten sich die Situationen grundlegend geändert. Besonders der Anteil der Frauen war nun deutlich höher. Auch bei den Blauen Sängern sah es nun anders aus. Die Neugründung nach 1945 kam aus einem Instrumentalkreis heraus, und nicht wie 1860 aus einem Chor. Zwar entstand bald auch wieder ein Männerchor, der aber schon Mitte der 1950er Jahre durch die Aufnahme des im Niedergang befindlichen Göttinger Händel-Chores zu einem gemischten Chor wurde. Und selbstverständlich waren die Damen in diesem Chor auch absolut gleichberechtigt. Auch im Orchester, zu dem sich der Instrumentalkreis gemausert hatte, fanden sich in den 1960er Jahren vermehrt Frauen, so dass es nur noch eines kleinen Schrittes bedurfte, um auch den Musikerinnen in unseren Ensembles die Mitgliedschaft bei den Blauen Sängern zu ermöglichen. Dieser kleine Schritt war die "68er Revolution".

Heute wie vor fast 140 Jahren steht die kulturelle Betätigung im Zentrum unseres Bundeslebens. Sie ist der Grund, warum wir uns zusammengefunden haben und zusammenfinden. Und gerade im kulturellen Bereich macht eine Trennung nach Geschlecht, nach Religion, nach ethnischer Herkunft oder sonstigen Gründen keinen Sinn. Aus diesem Grunde ist für uns auch die Aufnahme von Frauen kein Punkt mehr, über den es sich für uns nachzudenken lohnt. Wir machen es, weil es gut ist.

Übrigens: Die Wiener Philharmoniker, eines der wohl renomiertesten Orchester der Welt, waren bis weit in die 90er Jahre ein reines Männerorchester, und nur wenige haben sich daran gestört oder aus diesem Grunde Konzerte boykottiert. Inzwischen sind aber auch die Wiener klug geworden...


Unser Chor

steht auch Studierenden mit weniger Chorerfahrung offen, denn auch ihnen möchten wir die Möglichkeit bieten, im Gesang einen Ausgleich zum Studium zu finden.

Unser Orchester

hat einen Faible für eher selten gespielte und unbekannte Werke aus allen Epochen, macht aber trotzdem um Haydn und Schubert keinen Bogen. Und als einziges der Orchester in Göttingen gibt es bei uns kein Vorspielen.

Unser Theater

bietet die Möglichkeit, sich im darstellenden Bereich auszuprobieren. Denn bei uns stehen die Freude am Spiel und die Sammlung von Theatererfahrung im Vordergrund.

Unsere Big Band

swingt und groovt, was das Zeug hält - und hat gerade beim 8. internationalen BigBand-Contest "Swingin´ Saxonia" in der Kategorie "Amateure" den zweiten Platz gewonnen!